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Landshut – Suzie Millers „Prima Facie“ spannend im kleinen theater, Kammerspiele Landshut inszeniert

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Landshut – Suzie Millers „Prima Facie“ spannend im kleinen theater, Kammerspiele Landshut inszeniert

© kleines theater, Kammerspiele Landshut, Foto: Alvise Predieri

Vorpreschen, warten, Einspruch erheben, dann das Kreuzverhör. Louisa Stroux in der Rolle einer jungen Anwältin gerät regelrecht in Euphorie über ihr strategisches Vorgehen vor Gericht. Sie lässt das Opfer im Glauben im Recht zu sein, macht auf naiv, stottert absichtlich, um es dann im Kreuzverhör mit vier Fragen wie Schüsse ins Verderben zu katapultieren. „Wow,…

ist die gut!“ untermalt vom eingespielten Raunen von Kollegen, weiß sie um ihr hervorragendes Image als einzige Frau weit und breit, die übergriffige Männer vor Gericht rehabilitiert. Mucksmäuschenstill ist es im Theater angesichts dieses fulminanten Einstiegs. Ein starker Text eine stilsichere Inszenierung, schauspielerisch großartig umgesetzt. Regisseur Sven Grunert verzichtet auf große Kulisse. Schwarze Anzüge auf einer schwarzen Stuhlreihe stehen für die männlich besetzte Jurisprudenz. Eine fahrbare Stellage, Tisch, Stuhl und Licht schaffen unterschiedliche Räume, Spiegel, Lichteffekte und projizierte Live-Porträts intensivieren den Wandel dieser Anwältin, die sich plötzlich in der Rolle des Opfers findet. 

Theaterkritik von Suzie Miller "Prima Facie" im kleinen theater Landshut präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

© kleines theater, Kammerspiele Landshut, Foto: Alvise Predieri

Suzie Millers, die selbst viele Jahre lang als Strafverteidigerin mit Schwerpunkt Sexualdelikte arbeitete, weiß, wovon sie schreibt. Ihr Ein-Frauen-Monolog „Prima Facie“ (2019, Sidney) wurde als brandaktuelles Me-Too-Stück sofort ein weltweiter Hit und unter der Regie von Grunert ein Sprungbrett für Louisa Stroux. Gekonnt weiß sie die Facetten dieser Karriere-Anwältin in Szene zu setzen, eine Powerfrau mit leuchtenden Augen, die mit sadistischer Berechnung die Anklagen der Opfer als Hirngespinste offeriert, ihnen ganz bewusst den Boden unter den Füßen wegzieht und selbstherrlich ihre Erfolge feiert, fest in der Überzeugung, dass es keine Wahrheit gibt. Aufgabe der Justiz ist es allein, die Lücken in der Anklage zu finden. 

In nahtlosen Übergängen verwebt Stroux Vergangenheit und Gegenwart, das ärmliche Zuhause mit der abgearbeiteten Mutter, dem Bruder, einem Loser, den Konkurrenzkampf an der Uni und immer mehr ihr Intimleben. Diese Karrierefrau ist so unsympathisch nicht. Sie hat sich ihren Erfolg hart erarbeitet. Vielleicht könnte aus einem Flirt mit Julian, ihrem Kollegen auch Liebe werden. Dass er sie vergewaltigen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Stroux chargiert gekonnt zwischen extremen Emotionen. Sie lässt alle Höhen und Tiefen dieser Frau derart intensiv aufleuchten, dass der eineinhalbstündige Monolog zum spannenden Psychogramm und Zerrspiegel unserer männerdominierten Justiz wird. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, als rotes Laufband immer wieder eingespielt, wird zur Farce. Das Stück endet. wie es beginnt, nur dass jetzt die Anwältin das Opfer ist und sie, wohlwissend wie die Mechanismen der Justiz funktionieren, voll darauf hereinfällt. Doch sie, das ist der Unterschied, kämpft weiter. Das ist Theater, das unter die Haut geht, und neue Einsichten offeriert. 

Künstlerisches Team: Sven Grunert (Regie, Bühne), Helmut Stürmer (Bühne), Irina Kollek (Kostüme), Rebecca Seethaler (Regieassistenz, Dramaturgie)

Mit: Louisa Stroux